Der Schießstock

Der Schießstock war die erste Handfeuerwaffe, die von einem Mann allein gehandhabt werden konnte. Die Entwicklung der Handrohre begann etwa zeitgleich mit den ersten Feuergeschützen der Artillerie: Bombarde, Mörser, Feldschlange, Kanone. Das Handrohr wurde um etwa 1300 entwickelt, vielleicht sogar schon früher.

Es gelangte von Italien aus über Deutschland nach Flandern. 1314 gelangte es mit flämischen Söldnern nach England. Die ersten Handrohre waren aus Bronze gegossen. Das Bronze- oder Eisenrohr in Stabringtechnik von ca. 40 cm Länge und einem Kaliber zwischen 10 mm und 20 mm, montiert auf die Spitze eines ca. 4 bis 5 cm starken und 1 bis 1,5 m langen Holzstabes, war bis ca. 1500 in verschiedensten Ausführungen im Einsatz.

Erst mit der Entwicklung von besserem Stahl wurden auch einteilige Handrohre aus Eisen geschaffen. Der Schießstock gehört eigentlich nicht zu den Geschützen, da er eine Handfeuerwaffe ist, die zu Belagerungs- und Verteidigungszwecken eingesetzt wurde.

Weitere Bezeichnungen:

Handrohr, auch Hand-, Stangen- oder Donnerbüchse. Die kurze Version wurde Faustrohr oder Faustbüchse genannt. Spezialversionen: Feuer- oder Kugellanze, Orgelbüchse, Standrohr, Hakenbüchse.

Die Reichweite

Die Reichweite lag bei bis zu 300 m, wobei die panzerbrechende Wirkung bei höchstens 20 m bis 60 m lag. Die ersten “Vorderladerschlosse” (Zündsystem) waren übrigens glühende Holz- oder Eisenstäbe, welche von Hand durch den Schützen an die Pulverpfanne herangeführt wurden. Es gab auch Schiesstöcke mit einer Art primitivem „Abzugsmechanismus“ (Bild rechts). Die früheste Erwähnung dazu ist auf 1360 datiert.

Als Munition wurden von Beginn an Bleikugeln verschossen, nicht wie vereinzelt angenommen aus Sandstein geschliffene Projektile. Dies war ein Unterschied zu den großen Geschützen, bei denen anfangs auch Brandpfeile und Steinkugeln in Gebrauch waren.

Dieser divergierende Geschossphilosophie ist wahrscheinlich dem Umstand geschuldet, dass man kleine 20 mm Eisenkugeln (hohe Härte und hohe Durchschlagskraft, wahlweise glühend und Brandfördernd) nicht so leicht Sammeln und wiederverwenden konnte wie eiserne Kannonenkugeln.

Letztere bieten dem Belagerten bzw. dem unter Beschuß stehenden unter Umständen genügend Rohmaterial für eigene Speerspitzen, ein Schwert oder zahlreiche Bolzenspitzen.

Schwarzpulver:

Das Schwarzpulver wurde gemäss den heutigen Erkenntnissen wahrscheinlich im 10. Jahrhundert von Alchimisten erfunden. Die Chinesen benutzten vermutlich bereits im Jahre 1120 ein einfaches Vorderladergeschütz mit Glühstab und Pulverpfanne.

Das Schwarzpulver von damals hat mit dem Pulver von heute qualitativ kaum noch etwas gemeinsam, da man im Laufe der Zeit die Mischung optimierte. Aus dem Pulver, welches damals eher eine „mehlähnliche“ Konsistenz hatte, wurde langsam ein Pulver mit gleich bleibender Qualität und verschiedenen Körnungsgraden.

Das Schwarzpulver wurde um 1900 durch das fast rückstandsfreie Nitrocellulosepulver ersetzt. Allerdings findet Schwarzpulver heute noch in gewissen Vereinen und Schiessportarten seine Verwendung sowie in Feuerwerkskörpern.

Der Schießstock im Einsatz

Trotz einer maximalen Reichweite von ca. 300 m blieben Handrohre nur auf kurze Distanzen effektiv. Bei einer Entfernung um 20 m vermochte das Geschoss eines Handrohrs eine Rüstung zu durchschlagen oder zwei hintereinander laufende ungepanzerte Gegner, sofern man sie traf.

Eine Person konnte auch noch auf 50 m tödlich getroffen werden. Zum Vergleich: ein Langbogen durchbohrte bis 60 m einen Harnisch und traf ansonsten bis 180 m; eine Armbrust brach auf 50 m bis 100 m einen Körperpanzer.

Das Zielen mit "Kimme und Korn", so wie wir es heute kennen, war damals nicht bekannt. Man musste grob anhalten und hoffen das das Geschoss sein Ziel traf, quasi eine Glückssache. Dafür spricht unter anderem, dass die (Gewehr)Läufe noch keine "Züge und Felder" hatten, also nicht gedreht waren wie dies ab ca. 1800 Standard wurde. Durch gedehte Läufe erhällt ein Projektil Drall sowie eine stabile Fluglage und somit Zielgenauigkeit (Stichwort: Ballistik).

Zur leichteren Handhabung wurden die Handrohre an Holzstangen von ca. 0,6 m bis 2 m Länge befestigt. Größere und schwerere Handrohre wurden mit Hilfe einer Stützvorrichtung (hölzerne Gewehrgabel, Burgmauer) abgefeuert. Beim Ausrichten der Waffe musste mitunter ein zweiter Mann assistieren.

Leichte Handrohre wurden wie eine Lanze unter dem Arm eingelegt, oder wie eine moderne Panzerfaust von der Schulter gezündet. Wegen des hohen Rückstoßes war das Anlegen an der Schulter zu gefährlich und das Verletzungsrisiko hoch.

Die meisten Handrohre waren Vorderlader, obwohl auch mit Hinterladermodellen experimentiert wurde. Bei allen Varianten zündete der Schütze die Pulverladung mit einer (beidseitig) brennenden Lunte. Diese führte er bei frühen Modellen direkt per Hand; was nicht selten Verbrennungen an den Fingern und der Hand verursachte.

Nachteilig waren die umständliche Handhabung, die daraus resultierende niedrige Schussfrequenz und die Anfälligkeit des Pulvers gegen Wind und Nässe. Der Nutzen des Handrohrs zeigte sich bei Belagerungen und beim Legen von Hinterhalten, weniger in der Feldschlacht.

Obwohl die Handrohre den Langbögen und Armbrüsten in Handhabung, Zielgenauigkeit und Schussfrequenz taktisch unterlegen blieben, eroberten sie dennoch ihren Platz in den Waffenarsenalen der mittelalterlichen Kriegsherren.

Ein Vergleich:
Handrohr: 1 Schuss/Minute;
Armbrust: 2 Schüsse/Minute;
Langbogen: 12 Schüsse/Minute)

Strategische Gründe für das verwenden von pulverbetriebenen Waffen waren die niedrigen Herstellungskosten (20 x billiger als eine Armbrust), die einfache (innerhalb eines halben Tages mögliche) Herstellung und die damit erleichterte Massenproduktion und die nur wenige Tage dauernde Schützenausbildung.

Bei Bedarf waren in kürzester Zeit große Schützenkontingente rekrutierbar, die zudem einen geringeren Sold bezogen als die in langen Jahren ausgebildeten Langbogenschützen.
 

Die Dortmunder Stadtwache